"Manchmal ist ein Umweg der bessere Weg" – Im Gespräch mit Goldschmiedin Martina Misch
Martina Misch ist Goldschmiedin mit eigenem Atelier in Mönchengladbach. Ihr beruflicher Weg beginnt jedoch mit dem Studium der Sozialpädagogik und der Arbeit mit Kindern in Frauenhäusern. Mit Anfang 30 entscheidet sie sich, das zu machen, was sie eigentlich schon immer machen wollte: Eine Ausbildung zur Goldschmiedin.
Wie ging es Ihnen nach dem Schulabschluss mit der Überlegung, welchen beruflichen Weg Sie einschlagen möchten?
Das kann ich direkt sagen: Das war total schrecklich (lacht). Ich wusste überhaupt nicht, was ich machen möchte. Ich habe mir nichts zugetraut. Und ja, dann habe ich lange nichts gemacht. Meine Eltern haben ziemlich gedrängelt und letztlich entschieden, dass ich ein Praktikum im Kindergarten machen solle, denn eine Arbeit im Kindergarten war das Einzige, was ich mir vorstellen konnte.
Innerhalb dieses Praktikums habe ich zwei Frauen kennengelernt, die beide Sozialpädagogik studiert haben. Beide haben mich dann gefragt: “Warum willst du denn Kindergärtnerin werden? Studier‘ doch Sozialpädagogik! Dann hast du eine größere Auswahl“. Daraufhin habe ich mich um einen Studienplatz beworben und das Studium auch abgeschlossen.
Wie ging es dann weiter?
Ich habe insgesamt fünf Jahre in der Erziehungs- und Jugendberatung und vor allem in Frauenhäusern gearbeitet. In dieser Zeit bin ich jedoch viel krank geworden und habe mich gefragt, ob das so richtig sein kann. Hinzu kam, dass wir uns im Zuge unseres Firmenjubiläums entschieden hatten, eine Ausstellung zu halten und ich mich dafür meldete diese zu gestalten. Ich wurde von allen anderen Arbeiten freigestellt und hatte ca. 2-3 Monate Zeit für die Vorbereitung.
Warum war das ausschlaggebend?
Das hat mir gezeigt, dass ich im kreativen, künstlerischen Bereich arbeiten muss. Auch in der Schule war Sport und Kunst meine Leidenschaft, aber meine Eltern haben immer gesagt „Das geht nicht! Das ist überhaupt nicht anerkannt. Was willst du damit? Damit kann man überhaupt nichts erreichen!“ Deshalb hatte ich auch keine Ahnung, was ich machen sollte.
Die Idee, Goldschmiedin zu werden, und auch in Frankfurt auf die Kunstakademie zu gehen, hatte ich seit der Schulzeit. Aber in beiden Fällen musste man eine Mappe anfertigen, was ich mir ohne Unterstützung nicht zugetraut habe.
Diese Ausstellung eigenverantwortlich auf die Beine zu stellen war eine riesige Bestätigung: Dass mir die kreative Arbeit total viel Freude macht, dass ich das kann und dass meine Arbeit von anderen akzeptiert wird. Da habe ich gemerkt, dass ich doch in diese Richtung gehen muss.
Was hat sich daraufhin geändert?
Ich habe im Frauenhaus aufgehört und bin nach Mönchengladbach gezogen. Ich war etwas orientierungslos und habe dann – um etwas Zeit zu überbrücken – noch einmal eine Stelle im Frauenhaus angenommen. Ich habe allerdings sofort wieder festgestellt, dass es mich nicht glücklich macht und dass es so nicht weitergehen kann.
Daraufhin habe ich mich bei vielen Kunsthochschulen beworben, hatte die Idee Kunst und Pädagogik zu verbinden und habe mich als Gaststudentin eingeschrieben, bis ich merkte, dass ich auf diese ganzen pädagogischen Geschichten keine Lust habe. Im Gespräch mit einer Bekannten kam wieder die Idee auf, sich als Goldschmiedin ausbilden zu lassen. Sie kannte einen tollen Goldschmied, den ich fragen sollte, ob ich ihm über die Schultern gucken dürfe.
Das habe ich dann gemacht. Ich habe dort auch eigene Schmuckstücke erstellt, in denen er ein Talent sah und fragte, ob ich nicht eine Ausbildung zur Goldschmiedin machen möchte.
Ich hatte offensichtlich viel Glück auf dem Weg. Wobei es natürlich auch anstrengende Phasen gab – es hat 1.5 Jahre gedauert, bis ich den Platz für die Goldschmiede-Ausbildung bekommen habe.
Wie haben Sie die Zeit erlebt?
Das war auch eine harte Zeit. Viele haben gesagt: “Wie kannst du denn so eine Stelle kündigen? Wo willst du denn hin? Du weißt doch gar nicht, was daraus wird! Das war sicher. Du hast Geld verdient.” Da wurde mir viel Druck gemacht. Das war nicht einfach, weil ich auch selbst nicht so richtig wusste, wohin es beruflich gehen soll. Daher habe ich viel ausprobiert und zwischendurch auch gezweifelt. Ich habe trotzdem nicht aufgegeben und bin drangeblieben. Bis ich als Goldschmiedin meine Passion gefunden habe.
Bereuen Sie die Entscheidung das Studium bzw. ihren Weg bis dahin gegangen zu sein?
Im Nachhinein auf keinen Fall. Ich weiß nicht, ob ich die Persönlichkeit dazu gehabt hätte, das zu tun, was ich jetzt mache, wäre ich schon früher Goldschmiedin geworden. Mittlerweile habe ich mich selbstständig gemacht, aber auch, weil ich die Persönlichkeit dazu entwickeln konnte. Denn das Suchen und Ausprobieren sind prägende Herausforderungen, wodurch man reift. Ich kann daher nur bestätigen, dass Krisen einen fordern und man gleichzeitig aus ihnen gestärkt hervorgeht.
War es auch immer ihr Wunsch, ein eigenes Geschäft zu führen?
Nein, am Anfang gar nicht (lacht). Ich wollte am liebsten 20 Stunden arbeiten und darüber hinaus noch andere, eigene Sachen machen. Einen Laden wollte ich auf keinen Fall eröffnen. Das hat sich im Laufe der Jahre so ergeben. Am Anfang muss man erst einmal diesen Beruf erlernen und Arbeitserfahrung sammeln, um darin sicher zu sein. Ich hatte Anstellungen, wo ich richtig gefordert war. Ich hatte auch tolle Anstellungen, wo ich im kreativen Bereich arbeiten konnte. Aber bei einer Stelle mussten wir wie am Fließband arbeiten. Das war nicht ohne, aber im Nachhinein habe ich auch dadurch schnelles Arbeiten gelernt. Das ist auch wichtig. So habe ich immer gemerkt, dass alles dazu beigetragen hat, wo ich heute stehe.
Was, würden Sie sagen, sind die wichtigsten Dinge, die sie auf ihrem Weg gelernt haben?
Letztendlich: Auf mein Herz und auf das, was ich wirklich möchte, zu hören. Wobei das auch nicht immer einfach ist zu finden. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass man es eher findet, wenn man Menschen um sich hat, die einen unterstützen und die einen ein bisschen kennen.
Und zweitens: Den Mut nicht zu verlieren, dass es weitergeht. Ich hatte auch wirklich Phasen, wo es mir schlecht ging und es ist auch eine Herausforderung, immer wieder den Mut und die Kraft zu finden, weiterzugehen. Aber so ist das Leben. Ich halte es daher für wichtig, nicht den Mut zu verlieren, dass es weitergeht.
Gibt es noch etwas, was sie jungen Menschen, die gerade den Schulabschluss machen, raten würden?
Was ich auf jeden Fall raten würde ist, etwas zu tun. Leute, tut etwas! Denn, wenn man nichts tut, tut man sich selber irgendwann nicht mehr gut und man kommt aus dem Negativen nicht raus. Außerdem rate ich dazu, sich mit anderen Menschen auszutauschen – mit Freunden zum Beispiel – und zu gucken, wo man jemanden findet, der einem Gehör verschafft.
Es gibt immer auch Ideen von Freunden, die man einfach mal ausprobieren kann. Es ist wichtig, sich nicht abschrecken zu lassen von Gedanken wie “das kann ich nicht“ – man kann nur daraus lernen. Auch aus Fehlern – man macht Fehler im Leben. Man muss sogar Fehler machen, um daraus zu lernen. Das ist einfach so.
Außerdem ist meine Erfahrung: Wenn man etwas macht, dann ergibt sich daraus auch wieder etwas, weil man neue Impulse bekommt und man neue Leute kennenlernt. Nichts tun ist das Schlechteste.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Misch. mischdesign.de