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Blogbeiträge

„Man muss dem Glück eine Chance geben“ – Im Gespräch mit Filmemacher Franz X. Gernstl

 
Workshop-Intro mit dem Roller Coaster
 
 

Franz Gernstl ist Bankkaufmann, Regisseur, Reisender, Genießer und Menschenfreund. Und als solcher führt er Gespräche. Tolle Gespräche. Gespräche mit Tiefgang. Er hofft, dass wir alle etwas aus seinen Gesprächen mitnehmen und etwas lernen fürs Leben. Vor unserem Interview haben wir uns die Frage gestellt, wie man mit jemandem ein gutes Gespräch führt, der genau das beruflich macht. Wir waren ziemlich aufgeregt. Franz hat es uns leicht gemacht. Wir haben viel darüber gesprochen, wie man den Beruf findet, den man auch mit 70 Jahren immer noch mit Leidenschaft ausübt und bei dem man gar nicht ans Aufhören denkt aber auch über seine neue Küche, seine Familie und wie es ist, mit seinen besten Freunden zusammenzuarbeiten.

Auch Umwege sind Wege zum Ziel 

Bei dem Versuch, die eigene Aufgabe im Leben zu finden, rät Franz jungen Menschen, sich nicht zu schnell für einen beruflichen Weg zu entscheiden, sondern sich Zeit zu nehmen, sich selbst kennen zu lernen. Man solle nicht nur Geld im Kopf haben, sondern lieber in sich hinein hören und sich die Frage stellen: Was mache ich wirklich gern? Und hierbei auf sich selbst hören und sich nicht etwa eine Aufgabe aufdrängen lassen oder etwas tun, nur weil es gerade in Mode ist. Denn wenn man weiß, was man wirklich gerne macht und das auch tut, dann kommt der Erfolg fast von selbst.  

Auch Franz hat seine Aufgabe nicht direkt gefunden – nach einer Ausbildung und einem Studium der Sozialpädagogik hat er als Hospitant beim Bayrischen Rundfunk angefangen. Dort war er u.a. als Reporter für das Kinderprogramm tätig. Irgendwann hat ihn ein Abteilungsleiter, dem seine Sachen gefallen haben, gefragt: „Was willst Du denn eigentlich wirklich gern machen?“ 

Er schlug dann vor, einfach durchs Land zu fahren und zu schauen, was einem so vor die Kamera kommt. Das zu drehen, was ihm interessant erschien. Zunächst war man beim BR skeptisch, aber Franz blieb standhaft und bekam tatsächlich den Auftrag, vier Filme zu drehen. Die erste Tour führte die Crew den 10. Längengrad entlang – vom Allgäu bis zur Ostsee. Unter dem Titel „10 Grad östlicher Länge – schnurstracks durch die Republik“ entstanden erste Reportagen. Und weil es gut lief und die Zuschauer Gefallen an diesem Format fanden, drehten Franz und sein Team weiter. Die größten Erfolgsfaktoren dieses Konzepts waren dabei die Menschen, mit denen sie sprachen. „Man musste sich drauf verlassen, dass die Leute, die man traf, gute Geschichten erzählen.” 

Man muss nicht schon alles können – es lohnt sich die Dinge auf dem Weg zu lernen  

Wir fragen, ob er schon als Kind Filme machen wollte. Er antwortet, dass er als Jugendlicher sehr viele Dokumentarfilme gesehen hatte und ihn das sehr geprägt hat. Als Franz seinen Zivildienst bei der katholischen Jugendpflege in Rosenheim absolvierte, kam dort ein Kamerateam vorbei, das etwas über Jugendliche in der Kleinstadt drehen wollte. Franz hat diese Aufnahmen begleitet und war sich danach sicher, dass er auf die Filmhochschule gehen wollte. Doch die Filmcrew riet ihm davon ab, denn „da sind lauter Berufsabbrecher, die dir was beibringen wollen, geh da nicht hin. Lerne erstmal was Gescheites, Filme machen kannst du immer noch.“ So kam es, dass Franz zunächst Sozialpädagogik studiert hat. „Meine filmische Ausbildung war eine dreimonatige Hospitanz, die ich beim Sender gemacht habe.“ Am meisten hat er durch intensives Zuschauen und genaues Beobachten gelernt und den Rest, den hat er sich einfach selbst beigebracht. 

Daher fehlte ihm auch eine „richtige“ Ausbildung nicht. „Man kann auch 10 Jahre auf die Filmhochschule gehen und nix kapieren und das Handwerk dann einfach nicht können.“  

Als junger Mensch war Franz eher schüchtern und zurückhaltend, weil er bloß „nix Blödes“ oder „Falsches” sagen wollte. Es hat also wenig darauf hingedeutet, dass das Führen von Gesprächen mit fremden Menschen ein zentrales Thema in seinem Leben spielen würde. Auch Fragen stellen und Gespräche führen hat er über die Jahre gelernt – dabei war die Kamera die Legitimation für ihn, auf Menschen zugehen zu können und durch seine Fragen auf persönliche Geschichten zu stoßen.  

Den richtigen Rahmen für die eigene Arbeit finden  

Seine Art des Filmemachens war zu der Zeit ein eher ungewöhnliches Vorgehen: „Irgendwo unangemeldet aufkreuzen”, wenig Technik im Gepäck, kein Aufnahmeleiter vor Ort, kein vorgeschriebenes Skript. Nur mit einer Videokamera auf der Schulter und inspiriert durch den Film 200 Motels von Frank Zappa, war das Ziel, ganz viel zu drehen, um am Ende nur die natürlichsten Momente zu nutzen und im Film zu zeigen. Denn Franz Überzeugung ist es, dass Menschen umso authentischer sind, je überraschender die Begegnung ist. 

Um diese Art des Filmemachens so weiter fortführen zu können, entschied sich Franz dazu, sich selbständig zu machen, da es in der Festanstellung zu viele Vorschriften und starre Rahmenbedingungen gab. Durch die Selbstständigkeit schaffte Franz sich den Freiraum selbst gestalten zu können – „Ein Privileg, das nicht viele haben“. Er gründete Megaherz, eine Produktionsgesellschaft, die mittlerweile ca. 40 Angestellte hat und verschiedenste Formate produziert. Franz hat sich Anfang des Jahres aus der Geschäftsführung zurückgezogen und diese an seinen Sohn übergeben – Filme dreht er allerdings weiterhin. 

Von Freundschaft und Visionen  

Dass er noch immer gerne Filme macht und sich nichts Schöneres vorstellen kann, als im Frühjahr das Filmequipment zu packen, einfach loszuziehen und einen Film zu machen, ist für ihn eng mit dem Thema Freundschaft verbunden. Seit 1983 ist er mit seinen zwei besten Freunden gemeinsam unterwegs und macht Filme. Gerade frisch getrennt von derselben Freundin, gründete er mit seinem Kameramann eine Männer-WG. Mit etwas Verzögerung kam der Tonmann dazu und dem haben sie dann das Filmemachen beigebracht.  

Mit Freunden zusammenzuarbeiten, bedeutet aber nicht immer nur Harmonie und Freude – es gibt auch manchmal Zoff – denn jeder kennt eben auch die wunden Punkte der anderen. Und trotzdem macht es „einfach Spaß mit zwei Typen unterwegs zu sein, die man gut kennt.“  

„Wir wurden schon als die Rolling Stones des Dokumentarfilms bezeichnet” 

Neben Freundschaft treibt die drei der Wunsch an, schöne Geschichten zu erzählen und hierdurch ein bisschen die Welt zu verbessern. Sie möchten in ihren Filmen die Menschen zeigen, „die wissen, wie man richtig lebt“. Menschen, die das Beste aus ihrem Leben und den Umständen machen und dadurch mit sich selbst und der Welt zurechtkommen. Menschen, die das Leben trotz widriger Umstände meistern und wenig jammern – denn „nicht Glück macht zufrieden, sondern Zufriedenheit macht Glück“. Franz schaut sich viel bei diesen Menschen ab. Im Laufe der Reise haben er und sein Team viel über Zufriedenheit, innere Haltung und Bescheidenheit dazu gelernt. Franz nennt das Reisen und seine Arbeit scherzhaft „permanente Psychotherapie”.  

„Zufrieden sind die, die ihre Aufgabe im Leben gefunden haben“ 

Franz hat beobachtet, dass die Menschen zufrieden sind, die ihre Aufgabe im Leben gefunden haben.  Seiner Meinung nach braucht es dafür eine Idee von sich selbst und der Welt – dann erst kann man erkennen, wo man hinmöchte. Gerader als junger Mensch kann dies schwierig sein. Daher ist es seiner Meinung nach wichtig, dass man in sich rein hört, sich dafür Zeit nimmt und sich in anderen Bereichen außerhalb der Schule erlebt und kennenlernt.  

Persönlicher Erfolg bedeutet für ihn: das zu finden, was man gerne macht. Das ist für ihn am allerwichtigsten. Finanzieller Erfolg ist für das Finden der eigenen Aufgabe kein guter Ratgeber.  

Chancen spielen in Franz’ Leben eine große Rolle und er rät jedem dazu, Gelegenheiten, die sich einem bieten, wahrzunehmen.  

Nach unserer Unterhaltung mit Franz waren wir weniger aufgeregt, dafür aber umso mehr begeistert: Es war ein tolles Gespräch, bei dem wir auch über die richtige Länge von Brotmessern, den Vorteilen von Kombidämpfern und die Begeisterung von gemeinsamen Kochabenden mit Freunden gesprochen haben. Für uns ist Franz ein grandioser Gastgeber, mit dem wir gerne einmal gemeinsam kochen, eine Flasche Wein leeren und stundenlang weitersprechen möchten.

Wenn ihr Franz in seinem Element erleben möchtet und auch die Menschen kennenlernen möchtet, die ihn so faszinieren und dazu anregen mit dem zufrieden zu sein, was man hat, dann schaut gerne hier vorbei.