Gerechtigkeit – zwischen gesellschaftlicher und individueller Verantwortung
Bereits von Geburt an wird uns beigebracht, was richtig, was falsch und was gerecht ist. Wir alle haben ein implizites Verständnis, was Gerechtigkeit für uns bedeutet und ein sensibles Gespür dafür, wenn wir ungerecht behandelt werden – ob es der Lehrer war, der uns trotz unserer Bemühungen eine schlechte Note gab, die Schiedsrichterin, die parteiisch pfeift oder die Kollegin, die einfach befördert wird, ohne viel geleistet zu haben.
Was verstehen wir unter Gerechtigkeit?
Gerechtigkeit – ein starker Wert. Doch was bedeutet er? Und gibt es überhaupt ein allgemein gültiges Verständnis von Gerechtigkeit? Nachgeschlagen im Duden erhält man folgende Definition: „das Gerechtsein; Prinzip eines staatlichen oder gesellschaftlichen Verhaltens, das jedem gleichermaßen sein Recht gewährt“ oder anders ausgedrückt „Gerechtigkeit heißt, dass es nach Abwägen aller Interessen und Wertvorstellungen zu einer fairen Verteilung von Gütern und Chancen innerhalb einer Gesellschaft kommt.“
Viele Vertreter*innen verschiedenster Disziplinen, ob Philosoph*innen, wie Platon und Aristoteles, Soziolog*innen, Politiker*innen oder Psycholog*innen blicken aus unterschiedlichen Richtungen auf Gerechtigkeit. Gerade durch diese Vielzahl an Perspektiven, mit der Gerechtigkeit betrachtet und „gemessen“ werden kann, ist ein allgemeines Verständnis von Gerechtigkeit schwer zu definieren. Wie das Wort Recht in GeRECHTigkeit bereits vermittelt, wird über Gesetze, Regeln, Normen (Ge-)Recht und Ordnung und dadurch Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft angestrebt. Gleichzeitig wird so unser Zusammenleben organisiert. Das bedeutet: Das Streben nach Gerechtigkeit ermöglicht uns ein strukturiertes Miteinander in einer Gemeinschaft.
Gerechtigkeit betrifft alle menschlichen Beziehungen, in denen es um unterschiedliche Interessen, Ansprüche, Pflichten und Lebensrealitäten geht. Über die Anwendung von Recht, im Sinne gesetzlicher Normen hinaus, beinhaltet der Wert ebenfalls Prinzipien der Gleichbehandlung und Unparteilichkeit, der Ausgewogenheit des Interessenausgleichs sowie der ethisch-moralischen Begründung von Entscheidungen (z. B. Fortin, 2008). Doch wie geht das einher mit unserer ganz persönlichen Vorstellung von Gerechtigkeit? Was bedeutet Gerechtigkeit für unser (alltägliches) Leben und unsere Arbeit? Wie wird Leistung gerecht bewertet? Kann eine Organisation gerecht sein - im Sinne einer organisationalen Gerechtigkeit? Und ist gerechte Arbeit überhaupt möglich?
Wie trägt man zur organisationalen Gerechtigkeit bei?
Gerechtigkeit ist nicht nur innerhalb (sozialer) Institutionen und Systemen, wie Staaten und deren Verhältnis zueinander, von Bedeutung, sondern in der individuellen Interaktion, innerhalb Business-Beziehungen und in Organisationen grundlegend. Denn Ungerechtigkeit bedroht unsere sozialen und moralischen Grundbedürfnisse im Kontext von Arbeit. Die Herausforderung besteht jedoch darin, dass jede Person ihr eigenes Verständnis von Gerechtigkeit hat.
Die organisationale Gerechtigkeit befasst sich daher mit der wahrgenommenen Gerechtigkeit als dem subjektiven Fairnesserleben bzw. das, was von den betroffenen Individuen als „gerecht“ erlebt wird. Dabei werden insbesondere folgende vier Ebenen betrachtet: Verteilung von Gütern, Mitgestaltung des Prozesses (Handlungsspielraum), zwischenmenschliche Interaktion (Respekt) und Kommunikation der Informationen. Sobald wir Gerechtigkeit auf diesen vier Ebenen bei der Arbeit in unserer Organisation erleben, erfahren wir höhere Arbeitszufriedenheit, mehr Commitment, weniger Absentismus. Dies wiederum führt zu mehr Engagement und generell zu gesteigertem Wohlbefinden
Um jedoch Gerechtigkeit im Unternehmen erlebbar zu machen, bedarf es mehr als nur der Wahrnehmung der Mitarbeitenden. Denn bei dem Verständnis von organisationaler Gerechtigkeit spielt das organisationale Verhalten - bezüglich Gleichbehandlung & Gleichberechtigung, Unvoreingenommenheit und Entscheidungen – eine wesentliche Rolle. Dabei kann jede*r einzelne Mitarbeitende einen Beitrag dazu leisten. Stelle dir folgende Fragen und nehme sie in diesen Monat mit in deinen Arbeitsalltag:
Wie wird Gerechtigkeit in Deinem Unternehmen gelebt?
Was kannst Du zu Gerechtigkeit in Deinem Unternehmen beitragen?