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Blogbeiträge

Detailverliebtheit trifft Experimentierfreude - Über die kreative Arbeit eines Winzers

 

Foto von Elle Hughes auf Unsplash

 
 

Arne Ambrosius arbeitet als Werksstudent auf einem Weingut und macht aktuell seinen Master in Oenologie, der Lehre und Wissenschaft von Weinbaukunde. Wir haben ihn auf dem Weingut Knyphausen in Eltville kennengelernt und wollten mehr über den Beruf des Winzers, warum dieser so abwechslungsreich und kreativ ist, und seinen Weg dort hin erfahren.  

Arne, was begeistert dich am meisten an der Tätigkeit eines Winzers?  

Gerade die große Vielfalt und Abwechslung an Tätigkeiten macht mir besonders viel Spaß. Ich kann draußen in der Natur auf den Weinfeldern arbeiten, wobei mir hier die Lese am meisten Spaß macht und dann in der Arbeit im Keller sehr detailversessen sein und mich der Herausforderung stellen einen tollen Wein zu schaffen.  

Gerade die Detailarbeit mag ich sehr. Denn man kann einen Wein mit Methode A erstellen, das dauert dann 3 Stunden und der ist trinkbar. Oder aber man wählt Methode B, das dauert 30 Stunden und der Wein wird grandios. Letztlich ist dann hier natürlich die Herausforderung das Mittelding zu finden, denn das ganze muss auch noch wirtschaftlich sein. Diese Herausforderung reizt mich – das finde ich toll.  

Außerdem der Ehrgeiz den perfekten Wein herzustellen. Jedes Jahr hat man nur einen Versuch, auf den man die ganze Zeit hinarbeitet. Man möchte die perfekten Trauben haben und die im Keller möglichst fehlerfrei verarbeiten. Und erst am Ende wird man sehen: ist es etwas geworden oder nicht? Und was kann ich im nächsten Jahr anders machen? 


Was spielt außerdem eine Rolle?  

Ich schätze außerdem den kreativen Anteil meiner Arbeit. Da habe ich Glück, denn hier auf einem eher kleineren Weinbetrieb darf der Kellermeister noch experimentieren und Sachen neu ausprobieren. Es gibt so viele Möglichkeiten und Facetten, einen Wein unterschiedlich zu gestalten – diese Kreativität ist mir sehr wichtig.  

Allerdings kommt es hier stark auf den Betrieb an. Denn in einem traditionellen Weingut sind die Dinge sehr fix – es ist klar, was gemacht werden muss, damit der Wein schmeckt, wie er schmecken soll. Außerdem ist man natürlich auch gesetzlich eingeschränkt.  

Letztlich – auch die Herausforderung finde ich spannend – hat man natürlich auch immer nur einen Versuch, eine Ernte. Hier kann auch schnell etwas schief gehen. Und wenn man dann am Ende ein Produkt hat, was sich nicht verkauft, kann man nicht mal eben neu produzieren. Man hat diesen einen Versuch im Jahr und wenn der wegfällt, fehlt einem das Geld. Daher ist mir die Kreativität gepaart mit der Detailverliebtheit so wichtig. Wenn beides zusammenkommt, entstehen tolle Produkte.

Du hast von der großen Vielfalt & Abwechslung in der Arbeit gesprochen. Wie kann ich mir das vorstellen?  

Die Arbeit mit Wein ist natürlich sehr saisonal. Das heißt, wir warten, bis die Trauben die ideale Reife haben, starten mit der Lese und verarbeiten sie dann zu Saft. Dieser Saft wird dann zu Wein. Nach der Lese wird es etwas ruhiger und die Keller-Arbeit beginnt: denn, wenn der Wein fertig gegoren ist, fängt die Weinverarbeitung an, in der viel chemisches Wissen wichtig ist. Wir filtrieren, geben Schwefel hinzu und schauen immer wieder, was mit dem Wein passiert. Putzen gehört natürlich auch immer dazu. Sehr viel später wird dann der Wein fertig zum Verkauf gemacht, Tanks werden gemischt und in Flaschen abgefüllt.  

Währenddessen geht aber natürlich schon die Arbeit auf dem Weinberg los. Hier werden die Reben zurückgeschnitten und fertig für das nächste Jahr gemacht. Sobald das Wachstum losgeht, gilt es sich auch um die Pflanzen zu kümmern: Pflanzenschutz zu betreiben und die Reben in Form zu halten – sogenannte Laubwandarbeiten.  

In kleineren Betrieben wird diese Arbeit eher von den gleichen Personen gemacht. In größeren Betrieben ist dies gerne schon einmal aufgeteilt. 

Wein gibt es ja an vielen Orten auf der Welt – inwiefern spielt das eine Rolle?  

Eine sehr große – ich habe auch schon in Frankreich, Oregon (USA) und Italien gearbeitet. Es ist sehr üblich bei Winzern im Ausland Lesen zu machen. Zum Beispiel auch wenn hier zwischen März und Mai weniger im Keller passiert, gehen einige Winzer auf die Südhalbkugel und arbeiten dort bei Lesen mit. Das ist eben eine tolle Chance neue und andere Erfahrungen zu machen und zu schauen, wie sich diese zu Hause auch umsetzen lassen. Letztlich wählt jeder selbst, wie international die Arbeit sein soll. Man kann sehr international arbeiten oder regional bleiben. 

Welche Region reizt dich hier am meisten?  

Tasmanien. Das Klima ist dort sehr ähnlich zu unseren, weswegen dort ähnliche Rebsorten angebaut werden. Ich finde es daher sehr spannend herauszufinden, wie wird unter ähnlichen Bedingungen aber mit einer völlig anderen Mentalität gearbeitet? Denn dort gibt es noch gar nicht so lange den Weinbau, weswegen weniger Traditionen und Vorstellungen herrschen. Diese sind hier manchmal sehr einschränkend, was der Weinwelt manchmal das Spannende nimmt.  

Auch gesetzlich gibt es dort weniger Vorschriften. Dieses ist bei uns auch aus jahrhundertealten Traditionen entstanden und das gibt es dort unten eben nicht. Da kann man noch Sachen ausprobieren, weil keiner sagt „ja, aber so haben wir das noch nicht gemacht!“.

Hattest du schon immer Interesse am Wein?  

Nein, nicht direkt. Das ist über die Jahre entstanden. Für mich ist es ein unheimlich weitläufiges Thema und eine riesengroße Vielfalt, die ich so mag. Man kann nicht auslernen – ich bin immer noch bei einem Bruchteil dessen, was man lernen kann. Außerdem kann man nie alle Weine probieren, die es gibt, selbst wenn man jeden Tag, was man natürlich nicht machen sollte, einen neuen Wein probiert.  

Ausschlaggebend für die Wahl des Studiums war auch eigentlich etwas anderes: Mein Vater hat mich daran erinnert, dass ich früher immer gerne in der Küche stand und sämtliche Eistees, Limonaden und so gemixt habe und daran immer viel Spaß hatte. Außerdem habe ich mich für Natur und Biologie interessiert. So kam die Idee auf eine Ausbildung zum Brauereimeister zu machen, denn studieren wollte ich damals nicht. Ich wollte unbedingt praktisch arbeiten.  

Hier haben mir aber zwei Tage Probearbeiten aus verschiedenen Gründen gezeigt, dass das nichts für mich ist. So bin ich dann auf den Bachelor in Getränketechnologie gestoßen, wo mir die Inhalte gut gefallen haben. Außerdem waren Praktika und viel praktische Arbeit – eigenes Bier brauen, Schnaps brennen, viele Exkursionen usw. – Bestandteil des Studiums. Das fand ich gut.  

Leider habe ich dann nach dem Bachelor gemerkt, dass ich das „falsche“ studiert habe, um auf einem Weingut zu arbeiten. Daher habe ich im Anlagenbau in der Getränkeindustrie angefangen, aber nach einem Jahr gemerkt, dass es überhaupt nicht das ist, was ich eigentlich möchte.  

Ich wollte zurück zum Wein und habe mich dann für einen Masterstudiengang entschieden. Ich hätte mit der Ausbildung zum Winzer natürlich viel schneller sein können, aber ich habe mich immer aus Interesse und Spaß für die Dinge entschieden und das war gut. 

Was ist dir in deiner Arbeit wichtig?  

Ich habe durch die vielen Tätigkeiten in unterschiedlichen Betrieben gemerkt, dass ich in einem kleinen Betrieb tätig sein möchte, wo es eine Verbindung zwischen Weinberg und Keller gibt. In größeren Betrieben ist es schnell industriell und es geht viel um Effizienz – das reizt auch viele. Mir ist aber die Vielfalt und Kreativität, die ein kleinerer Betrieb mit sich bringt, wichtiger. Diese Rahmenbedingungen sind für mich am wichtigsten!

Hattest du auch schon mal Zweifel?  

Ja klar. Man sollte sich eben bewusst sein, dass Arbeit mit Wein auch bedeutet, im Herbst für mehrere Woche komplett ausgeschlossen vom Sozialleben zu sein, da dort die Lese ist, was sehr stressig ist.  

Außerdem hängt die Arbeit auch von vielen Dingen ab, die man überhaupt nicht kontrollieren kann - z.B. Wetter oder Ernteausfälle-, wo viele Menschen Probleme mit haben. Das deutsche Weinbauinstitut hat bspw. speziell für Winzer eine Seelsorge eingerichtet.