Praxisbeispiele

Wenn ein Team nebeneinander statt miteinander arbeitet

 
 
 

Situation & Problem

Woraus besteht eine Gruppe? Häufig lautet die Antwort auf diese Frage: Eine Gruppe besteht aus den Menschen in dieser Gruppe. Es gibt aber auch die Möglichkeit, eine Gruppe als die Menge aller Beziehungen zwischen den einzelnen Akteuren zu sehen, die sich der entsprechenden Gruppe zugehörig fühlen. Zu einem Team wird eine solche Menge aus Beziehungen, wenn die Beziehungen um einen gemeinsamen Zweck bestehen. Ein solches Beziehungsnetzwerk aktiv im Sinne des Teamerfolgs zu gestalten, zeichnet gute Teams aus.  

Im hier beschrieben Projekt war genau dies die Herausforderung. Die fünf Teammitglieder arbeiten an drei verschiedenen Standorten. Zudem wurde das Team aus vormals zwei Einheiten mit jeweils unterschiedlichen Führungskräften zusammengelegt. Die folgenden Jahre waren geprägt von Führungswechseln und einer generell unklaren Führungssituation.  

Die zunächst geschilderte Situation sah so aus, dass es wenig Vertrauen zwischen den Mitarbeitenden gab und die Kommunikation von Misstrauen, Unterstellungen und unterschwelligen Konflikten geprägt war. Die Beziehungen der Gruppe waren durchaus angespannt, sodass ein konstruktives Miteinander im Sinne des Teamerfolgs nur schwer möglich war. So war eine grundsätzliche Zurückhaltung bei standortübergreifenden Themen sichtbar, sich weder mit diesen auseinanderzusetzen noch diese aktiv in der Gruppe zu diskutieren, wodurch wenig Austausch stattfand und kaum Synergie-Effekte entstehen konnten. Es fand also kaum ein Zusammenarbeiten statt, der Alltag zeichnete sich mehr durch ein Nebeneinander-her-Arbeiten aus. Auch wurden die Entscheidungen und Aussagen Einzelner von anderen sehr unterschiedlich bewertet und auch umgedeutet. Daraus resultierende Konflikte wurden aber nicht offen ausgetragen.
 

Lösung

Entsprechend war das Ziel, wieder ein Zusammen anstelle des Nebeneinanders herzustellen. Dazu wurde mit einem virtuellen Kick-Off gestartet, zu dem jedes Teammitglied bereits Stärken und Schwächen des Teams sowie ein Bild, wie das Team gesehen wird, mitbringen sollte. So wurde bereits mit dem Start für alle Mitglieder ersichtlich, wie divers der Blick der anderen Mitglieder auf das Team ist.  

Im Anschluss wurden persönlich Interviews mit allen Teammitgliedern und der Führungskraft geführt. Hier hatte jede Person gleichermaßen die Möglichkeit, die eigene Perspektive zu teilen und dadurch Einfluss auf die weiteren Themen zu nehmen. So konnte sich jede Person gehört und vermutlich keine Personen mit ihren Anliegen übergangen fühlen.  

Aus den beim Kick-Off und in den Interviews gesammelten Themen wurde ein zweitägiger Workshop in Präsenz konzipiert. Hier sollten insbesondere die Themen Psychologische Sicherheit, Vertrauen, Erwartungen und Rollen angesprochen werden. Die an Tag 1 besprochenen Themen Sicherheit und Vertrauen schufen dabei eine Grundlage, sodass an Tag 2 Probleme zu Tage traten, die bis dahin noch gar nicht im vorherigen Prozess angesprochen worden waren. Es zeigte sich, dass die ehemaligen Führungskräfte der ursprünglichen Teams große Vorbehalte gegeneinander und auch gegen die Zusammenlegung der Teams hatten. Daher hatten sie ihre Mitarbeitenden über die Zusammenlegung unterschiedlich informiert, woraus bis zu diesem Zeitpunkt viele Vorbehalte der Teammitglieder untereinander stammten, obwohl die beiden ehemaligen Führungskräfte inzwischen das Team verlassen haben.  

Hieran zeigen sich zwei sehr wichtige Dinge: Wenn wir von einem Team als Menge der Beziehungen der Teammitglieder sprechen, dann können dort auch Beziehungen zu Personen Einfluss nehmen, die der Gruppe gar nicht mehr angehören. Sie sind sozusagen anwesende Abwesende: Sie gehören nicht mehr zur Gruppe, durch ihre Beziehungen, ihre Meinungen, Informationen und Haltungen wirken sie aber immer noch auf die anderen Personen der Gruppe ein. Daraus ergibt sich zweitens, dass es in solchen Fällen nur schwer möglich ist, Vergangenheit und Gegenwart zu trennen und sie einfach „abzuhaken“, da die Vergangenheit so wie hier sehr real die Zusammenarbeit in der Gegenwart erschweren oder völlig blockieren kann.  

Im Anschluss an den Workshop folgte noch ein online Follow-Up-Treffen, um die Ergebnisse des Workshops zu evaluieren. 

Ergebnis

In diesem konkreten Fall war das Ziel vor allem, die zwischenmenschlichen Spannungen zu klären, anstatt konkrete Maßnahmen zu erarbeiten. Dies ist im Rahmen des Workshops gelungen. Darüber hinaus gab es jedoch auch noch viele weitere positive Effekte für ein Miteinander. So konnte der Fokus der Kommunikation wieder stärker auf die Sachebene verlagert werden und weniger auf das „Umschiffen einzelner Befindlichkeiten“. Dadurch können jetzt in der weiteren Zusammenarbeit auch sehr viel einfacher Vorschläge z.B. für die weitere Zusammenarbeit gemacht werden, ohne dass befürchtet werden muss, dass die Gegenseite diesen Vorschlag als Unterstellung oder unterschwellige Kontrolle wahrnehmen könnte.  

Bezüglich der Art und Weise der Aufgabenbewältigung gab es kleinere Unstimmigkeiten, die gelöst werden konnten. So wurde in den beiden ehemaligen Teams jeweils der Teil der Aufgabe priorisiert, den das jeweilige Team vor allem ausführte. Durch die Offenheit und Klärung im Workshop konnte auch hier die Möglichkeit geschaffen werden, sich auf Augenhöhe zu begegnen, sich über die eigenen Ansprüche an bestimmte Aufgabenbereiche auszutauschen und so nun ein gemeinsames Verständnis der erwarteten Qualität zu entwickeln. Dadurch konnte durch die beschriebenen Maßnahmen an beiden Eigenschaften des Teams eine Verbesserung festgestellt werden: An den Beziehungen und an der Wahrnehmung der gemeinsamen Aufgabe.  

Projektteam: Meike und Christoph