Was gibt es mir, wenn ich etwas für andere tue?
Werden Menschen unsozialer? - In der medialen Berichterstattung bekomme ich manchmal den Eindruck, dass die Menschen in Deutschland spätestens seit der Corona-Pandemie vor allem auf sich selbst bedacht sind. Diese eher aus einer Wettbewerbskultur am Arbeitsplatz stammende Haltung scheint sich dabei immer mehr auch auf das private Umfeld zu erweitern. Jede Tat, die dem Individuum keinen direkten Vorteil bringt, scheint abgelehnt zu werden, auch wenn diese Handlung zum Beispiel zum Wohle der Umwelt oder zur Förderung des Gemeinwohls ist.
Der Egoismus im Helfen
Doch warum tun Menschen etwas für andere? Viele berichten von einem guten Gefühl, dass sie dadurch bekommen. Und das lässt sich so auch wissenschaftlich nachweisen. Anderen zu helfen oder ihnen etwas zu geben, löst im menschlichen Gehirn ein Glücksgefühl aus, das auch als „warm glow“ bezeichnet wird. Dabei geht es häufig gar nicht um große finanzielle Spenden, sondern anderen unterstützend zur Seite zu stehen: Ein:e Freund:in zu trösten, beim Umzug zu helfen oder die Blumen der Nachbar:innen zu gießen, wenn diese im Urlaub sind. Gleiches gilt für den Arbeitsplatz, wenn ich zum Beispiel einem:einer neuen Kolleg:in bei einer Aufgabe helfe, in der ich bereits Erfahrung habe, oder, weil ich morgens der oder die Erste im Büro bin, schon mal die Kaffeemaschine anstelle. Oft kann zum Beispiel auch ein offenes Ohr für Fragen und anschließendes Feedback helfen, was in einer bestimmten Situation getan werden könnte.
Diese, auch als prosoziales Verhalten bezeichneten Handlungen, verbessern zusätzlich die psychische Gesundheit und erhöhen die Lebenserwartung. Für diese Effekte ist das Ausmaß des prosozialen Verhaltens tatsächlich nicht entscheidend: Eine Studie konnte zeigen, dass bereits das feste Vorhaben, großzügiger zu sein, Menschen glücklicher macht. Andersherum konnten Wissenschaftler:innen zeigen, dass immer auf den eigenen Vorteil und das persönliche Eigeninteresse zu achten Menschen auf Dauer unglücklich macht.
Entsprechend hat das uneigennützige Helfen anderer Personen tatsächlich auch sehr eigennützige positive Auswirkungen.
Doch wie kann, soll und möchte ich helfen?
Die erste Frage kann immer sein: Wem in meinem Umfeld, privat wie beruflich, kann ich gerade etwas Gutes tun? Braucht jemand Unterstützung oder würde sich einfach über eine kleine Geste freuen, z.B. wenn ich ihn oder sie zu mir zum Essen einlade, ein offenes Ohr anbiete oder für eine anstehende Entscheidung mit kritischen Fragen zu Seite stehe?
Ein weiterer Schritt wäre, sich ehrenamtlich zu engagieren. Durch den Rückgang der Ehrenamtlichen während der Corona-Pandemie sind Helfende an allen Stellen dringend gesucht. Und auch hier ist das Angebot an Möglichkeiten breit: von der Organisation von Veranstaltung, der Betreuung von Kindern, Senior:innen oder Menschen, die in irgendeiner Form Unterstützung brauchen bis hin zu Handwerklichen Bauprojekten ist vieles dabei. Viele Städte und Regionen bieten hier Messen oder Online-Plattformen an, um sich über die aktuellen Angebote zu informieren.
Doch bei all dem gilt: Auch Ehrenamt und prosoziales Verhalten kann Dich überfordern, wenn du dir deiner Ressourcen nicht bewusst bist. Daher ist es sinnvoll, dir immer folgende Fragen zu stellen:
Welche Fähigkeiten habe ich, mit denen ich andere unterstützen möchte? Und hierbei kann Zuhören, damit sich jemand anderes all seine Sorgen von der Seele reden kann, bereits eine sehr wertvolle Fähigkeit sein. Hier gilt also: Think small!
In welcher Form möchte ich helfen und wie langfristig möchte ich mich zu etwas verpflichten? Möchte ich lieber einmal die Woche dem Tierheim helfen Hunde auszuführen? Oder nur für einen Tag bei einer kommunalen Aufräum-Aktion helfen? Auch das Ehrenamt hat sich durch neue Lebenssituationen mit erhöhter Mobilität, Fortschritt der Technik und geringerer Verwurzelung am jeweiligen Lebensort verändert. Heute gibt es immer mehr einzelne Projekte vor Ort, in denen man sich engagieren kann.
Welche gerade zeitliche Ressourcen kann ich aufbringen? Sei hier auf jeden Fall ehrlich zu Dir selbst. Zwar hat Helfen an sich viele positive Effekte für Dich und Dein Umfeld, aber wenn Du Aufgaben übernimmst, denen Du Dich später nicht mehr gewachsen fühlst, kann das negative Effekte für Dich haben und Deine Stressbelastung steigern. Achte also immer auch auf deine Bedürfnisse und Möglichkeiten!
Als letzter Tipp bleibt noch zu sagen: Trau dich! Du musst nicht seit 10 Jahren in Deinem Wohnort engagiert sein, um dort unterstützen zu können. Es gibt immer Möglichkeiten. Und gerade, wenn du noch nicht weißt, wo deine prosoziale Reise hingeht: Beginn im Kleinen, in deinem Umfeld, und schau, wem du hier unterstützend zu Seite stehen kann. Es wird für euch beide einen großen Unterschied machen.