200703_wertefabrik_header-3.jpg

Inspiration

Nur, wo Werte sind, kann Sinn entstehen

 
 

 

Blogbeiträge

Toleranz am Arbeitsplatz? Eine kleine Anleitung, um sich in Toleranz zu trainieren

 

Es ist Montagmorgen, 9 Uhr. Ich komme ins Bürogebäude und laufe den Flur zu meinem Arbeitsplatz entlang. Hin und wieder begegnen mir Kolleg*innen mit einem flüchtigen „Morgen“. Bis dann dieser eine Kollege mir entgegenkommt, mich süffisant anlächelt und mir statt einem „Guten Morgen“ ein „Mahlzeit!“ zuruft.  

Genauso ist es mir in meinem ersten Bürojob ergangen. Diejenigen von euch, die sich wie ich nicht unbedingt zum Chronotyp „Lerche“ zählen, kennen solche Situationen vielleicht auch.  

Und schon sind wir mitten im Thema. Bei Toleranz am Arbeitsplatz sollten wir nicht nur an die großen und schweren Themen unserer Zeit denken. Toleranz bzw. das Fehlen von Toleranz beginnt schon im ganz Kleinen. Dort, wo ich es als einzig richtig empfinde, dass meine Kolleg*innen aber mal spätestens um 8:30 auf dem Bürostuhl zu sitzen haben. Und das bei Gleitzeit.  

Das Verb „tolerieren“ wird abgeleitet vom lateinischen „tolerare“ und bedeutet so viel wie „erdulden“, „ertragen“, das Adjektiv „tolerant“ meint „duldsam“, „nachsichtig“, großzügig“, „weitherzig“. (vgl. Toleranz – Wikipedia

Von Weitherzigkeit spüre ich morgens um 9 Uhr bei so einer Begrüßung leider wenig. Aber warum ist das so? Warum fällt es uns selbst im Kleinen manchmal schwer, unserem Gegenüber Toleranz entgegenzubringen? Die andere Person in ihrer Andersartigkeit zu mir einfach stehen lassen können? Die von meinem eigenen Verhalten abweichenden Handlungen auszuhalten? Und was kann uns konkret im Arbeitsalltag helfen, dass wir toleranter werden?  

 
Der Nutzen der Intoleranz 

Wenn es uns immer mal wieder schwer fällt eine tolerante Haltung einzunehmen, muss dies ja irgendeinen Vorteil für uns haben. Also, was ist der Nutzen von intolerantem Verhalten? Meine Hypothese ist: Wenn alles so ist und alle so sind wie wir es selbst kennen, dann gibt uns das Sicherheit. Ein Gefühl von „dann bin ich ja richtig“. (Denn wie kann ich richtig sein mit meinem Frühaufstehen, wenn es genauso richtig sein soll, dass man auch später kommen kann?!)  

Und auch Ergebnisse aus wissenschaftlicher Forschung zum Thema Toleranz zeigen, dass es unter anderem so etwas wie eine „vorurteilsbezogene Intoleranz“ bei Menschen zu geben scheint, bei der die Abneigung gegenüber Gruppen, die sich von einem selbst unterscheiden oft aus Ängsten und begrenztem Denken entsteht.  

Die eigene Toleranz endet also häufig da, wo die persönliche Komfortzone und der eigene Horizont enden. Dort, wo ich das Auftreten, die Meinung oder die Verhaltensweise meines Gegenübers nicht mehr verstehen möchte, oder verstehen kann.  

Wie wir sehen, gibt es durchaus Gründe für intolerantes Verhalten. Aber wenn es uns gelingt, nicht nur an unseren eigenen Vorteil zu denken, wird schnell klar: Intoleranz kann bei unserem Gegenüber und an unserer Beziehung zueinander erheblichen Schaden anrichten.  

 
Warum Intoleranz am Arbeitsplatz keine Lösung ist 

In Organisationen, in denen Menschen nicht tolerant miteinander umgehen, kann es laut diversen Studien zu folgenden Auswirkungen kommen: Probleme in der Kommunikation, geringere Bindung der Mitarbeitenden, gesundheitliche Konsequenzen, Kreativitäts- und Innovationsmangel, Misstrauen in der Teamarbeit, Beeinträchtigung der Effizienz aufgrund ständiger Konflikte und negativer Interaktionen – und damit ein Rückgang an Produktivität und wirtschaftlichem Erfolg.  

Es ist also nicht nur aus menschlicher Perspektive sinnvoll, respektvoll und tolerant mit unseren Mitmenschen umzugehen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten!  

 
Was können Arbeitgeber und Führungskräfte tun, um Toleranz zu fördern?  

Der erste Schritt ist vermutlich immer, zunächst für Bewusstsein zu sorgen. Die Mitarbeitenden für Vielfalt und Inklusion zu sensibilisieren. Neben klaren und verbindlichen Richtlinien gegen Diskriminierung und Intoleranz sollten Top-Management und Führungskräfte selbst mit gutem Beispiel voran gehen und mit ihrem Verhalten ein klares Statement für Toleranz und Respekt setzen. Das Fördern bzw. Bewusstmachen von Diversität in der Organisation, das Stärken von Kommunikations- und Teamfähigkeiten sowie das Trainieren von Konfliktlösungskompetenzen können einen wertvollen Beitrag leisten.  
 

Was kann ich selbst tun, um toleranter zu werden? 

Wir müssen aber nicht darauf warten, dass der Arbeitgeber oder die Führungskraft uns den Weg zu mehr Toleranz am Arbeitsplatz ebnen. Es gibt viel, was wir aus uns selbst heraus tun können und auch neben allen förderlichen oder weniger förderlichen Rahmenbedingungen tun sollten.   

Auch hier beginnt es mit der Sensibilisierung: Erst einmal muss es mir auffallen, wenn ich mich intolerant gegenüber anderen Personen verhalte. Dazu sollten wir uns in Selbstbeobachtung und Selbstreflexion üben. Haben wir unsere Wahrnehmung auf uns selbst geschärft, können wir im Großen oder Kleinen ganz konkret beginnen, unser Verhalten zu verändern.  

 

Fünf Ideen für mehr Toleranz 

  1. Perspektive wechseln:
    Um mich einer Person gegenüber respektvoll zu verhalten, auch wenn wir unterschiedliche Ansichten haben, kann es helfen, mich in die Perspektive dieser Person hineinzuversetzen. Auch diese Person handelt aus bewussten oder unbewussten Überzeugungen, die ihr ein Gefühl von Sicherheit geben.  

  2. Fragen stellen:
    Um den gedanklichen Perspektivwechsel zu erleichtern, kann es auch hilfreich sein, Fragen zu stellen. Lassen wir uns doch einfach die Sichtweise des anderen erklären! Wenn wir versuchen den persönlichen Hintergrund des Gegenübers zu verstehen, fällt es leichter, das Verhalten oder die Meinung desjenigen nachzuvollziehen und zu respektieren. Ohne, dass wir unsere Meinung ändern müssen. 

  3. “Richtig” zuhören:
    Im Gespräch ist es nicht ratsam, nur auf den Moment zu warten, in dem ich selbst wieder meine Haltung argumentativ erkläre. Ich merke selbst oft wie schwer es mir fällt, wirklich geduldig und aufmerksam zuzuhören und mich selbst erst mal zurückzunehmen, um Verständnis für mein Gegenüber entwickeln zu können. Wie geduldig bist du im Gespräch mit Personen, deren Meinung und Haltung du nicht teilst? 

  4. Interessiert sein:
    Offenheit und aufrichtiges Interesse an der Haltung des anderen zu empfinden ist manchmal leichter gesagt als getan. Dennoch ist es sehr förderlich für einen toleranten Umgang mit der Person. Noch wirksamer wird es, wenn wir nicht nur in der jeweiligen Situation unsere Offenheit und Interesse zeigen, sondern wenn wir uns auch in ruhigen Momenten die Zeit nehmen, uns über andere Denkweisen, kulturelle Gegebenheiten oder uns bislang fremde Themenfelder informieren.

  5. Gemeinsamkeiten schätzen:
    Und ein letzter Gedanke von mir: Es ist so leicht auf das zu schauen, was andere von uns unterscheidet. Warum nicht mehr auf die Gemeinsamkeiten blicken? Was sind die kleinen oder großen Dinge, die uns verbinden - trotz aller Unterschiedlichkeit?  

    Ich lade dich ein, einfach mal im Kleinen zu beginnen. Beobachte dich selbst bei der nächsten Gelegenheit mit einer Kollegin oder einem Kollegen. Welcher Gedanke hilft dir in dieser speziellen Situation am meisten, um echte Toleranz zu entwickeln?  

    Ich glaube, wenn wir es schaffen im Kleinen und Alltäglichen toleranter zu werden, dann fällt es uns auch bei den großen Themen irgendwann leichter.