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Stressfaktor: fehlende Wertschätzung 

 

Foto von Milad Fakurian auf Unsplash

 
 

„Wir möchten mehr Wertschätzung für unsere Arbeit!“ So lautet ein häufiges Ergebnis von Befragungen in Unternehmen. Und vielleicht kennst auch Du diese Forderung entweder als Arbeitnehmer oder als Führungskraft von deinen Mitarbeitenden. Auch im medialen Diskurs oder in Führungskräftetrainings wird das Thema immer präsenter. Doch warum hat gerade dieses Thema eine solche Bedeutung?  

Es lässt sich zeigen, dass Menschen, die viel Wertschätzung erfahren, von einem höheren Wohlbefinden und mehr Lebenszufriedenheit berichten. Auch konnten Studien zeigen, dass Mitarbeitende, die sich wertgeschätzt fühlten, ein geringeres Risiko für koronare Herzerkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes aufweisen. Zusätzlich reagierten wertgeschätzte Mitarbeitende mit weniger körperlichen und depressiven Symptomen auf Stress.  

Doch was ist Wertschätzung eigentlich? Wertschätzung kann in eine grundsätzliche Wertschätzung unterschieden werden, die sich zum Beispiel in einem grundlegenden Respekt einer anderen Person gegenüber zeigt, sowie einer situativen Komponente, wie Anerkennung für einzelne Handlungen.  

Doch wie lassen sich diese ganzen Effekte erklären? Eine mögliche Erklärung wäre die puffernde Wirkung gegenüber Stress. Hierzu stammt eine der bekanntesten Theorien vom Medizinsoziologen Johannes Siegrist. Das Effort-Reward-Imbalance Modell besagt, dass Stress dadurch entsteht, wenn die Kosten und Anstrengung, die bei Menschen durch ihre Arbeit entstehen, nicht durch eine angemessene Belohnung ausgeglichen werden. Dabei ist eine mögliche Belohnung Wertschätzung sowohl für die Person als auch für die geleistete Arbeit. Wertschätzung ist also nach Siegrist in der Lage, einen stärkeren Ausgleich zwischen Anstrengung und Belohnung herzustellen und somit erlebten Stress zu reduzieren.  

Doch auch mit einer weiteren Komponente des Modells von Siegrist ist eine Verbindung denkbar, die sogenannte Statuskontrolle. Statuskontrolle bedeutet, dass der soziale Status eines Individuums in einer bestimmten Gruppe gesichert erscheint, bzw. bei fehlender Statuskontrolle eine Stressreaktion erzeugt. Während dies in der Tierwelt vor allem in Bezug auf Rangordnung zu beobachten ist, zeigen Menschen ähnliche Reaktionen zum Beispiel, wenn ihr Arbeitsplatz gefährdet erscheint. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich Menschen an ihrem Arbeitsplatz als ersetzbar wahrnehmen oder ihnen das sogar kommuniziert wird. Wertschätzung hingegen, die Personen das Gefühl gibt, ein relevanter Teil des Arbeitsteams zu sein, könnte dieses Gefühl der Ersetzbarkeit reduzieren und dadurch auch den damit einhergehenden Stress.  

Stress kann auch entstehen, wenn Personen eine Bedrohung ihres sozialen Selbst und ihres Selbstwerts wahrnehmen. Das soziale Selbst beschreibt hierbei die Version von uns, die wir in Interaktion mit anderen Menschen wahrnehmen, z.B. die Art, wie wir Kommunizieren oder Beziehungen zu Arbeitskollegen gestalten. Wertschätzung erfolgt als eine positive soziale Evaluation durch andere. Andere zeigen uns zum Beispiel, dass sie gerne mit uns interagieren. Bleibt diese Wertschätzung aus, glaubt die Person möglicherweise, dass sie kein angenehmer Sozialpartner ist, und ist besorgt, dass sie von anderen gemieden oder ausgeschlossen werden könnte. Das wiederum löst Stress aus.  

Gerade chronischer Stress bringt einige negative Konsequenzen mit sich. Die überdauernde erhöhte Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol kann zu Veränderungen im Gehirn führen, die eine Verschiebung weg von eher kognitiv-rationalen zu eher emotionalen Prozessen fördern. Auch das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkte,  Schlaganfälle oder Arteriosklerose wird erhöht. In der Reduktion von Stress lässt sich also vermutlich eine Erklärung für einige positive Wirkungen von Wertschätzung finden. Allerdings fehlen bislang wissenschaftliche Studien zu der tatsächlichen direkten biopsychologischen Wirkung von Wertschätzung auf den Körper.  

Doch auch wenn sich die Effekte noch nicht vollständig erklären lassen, steht fest, dass es positive Effekte gibt. Neben der Gesundheit steigert Wertschätzung auch die Leistung von Mitarbeitenden und senkt die Wahrscheinlichkeit für Fehler. Allein deswegen ist es für Unternehmen sinnvoll, ihren Mitarbeitenden mit Wertschätzung zu begegnen.  

 

Quellen  

Deichert, N. T., Prairie Chicken, M. & Hodgman, L. (2019). Appreciation of Others Buffers the Associations of Stressful Life Events with Depressive and Physical Symptoms. Journal of Happiness Studies, 20(4), 1071–1088. https://doi.org/10.1007/s10902-018-9988-9 

Dickerson, S. S. & Kemeny, M. E. (2004). Acute stressors and cortisol responses: a theoretical integration and synthesis of laboratory research. Psychological Bulletin, 130(3), 355–391. https://doi.org/10.1037/0033-2909.130.3.355 

Fink, G. (Hrsg.). (2016). Handbook of stress: volume 1. Stress: concepts and cognition, emotion, and behavior. Elsevier AP.  

Pfister, I. B. (2019). Appreciation at Work and its Consequences [, Universität Bern, Bern]. DataCite. https://boristheses.unibe.ch/id/eprint/1367 

Semmer, N. K., Jacobshagen, N., Meier, L. & Elfering, A. H. (2007). Occupational Health Psychology: European Perspectives on Research, Education and Practice (Vol. 2). Occupational stress research: The Stress-As-Offense-To-Self Perspective (S. McIntyre & J. Houdmont, Hg.). Nottingham University Press.  

Siegrist, J. (2016). Effort-Reward Imbalance Model. In G. Fink (Hrsg.), Handbook of stress: volume 1. Stress: concepts and cognition, emotion, and behavior (S. 81–86). Elsevier AP. https://doi.org/10.1016/b978-0-12-800951-2.00009-1