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Blogbeiträge

Tatendrang – die Lust am Loslegen

 
Tatendrang
 
 

Tatendrang ist bemerkenswert. Gerade in der aktuellen Zeit, in der wir praktisch auf uns selbst zurückgeworfen sind, bemerken wir, dass viele von uns den Drang nach Taten verspüren. Den Drang etwas zu unternehmen, den Drang sich zu betätigen. Neulich ging ich mit meiner Freundin Sandra spazieren und sie erzählte mir von einem Radiointerview mit Michael Marco Fitzthum, dem Sänger der Band Wanda. Er beschrieb, wie wohl das Gefühl sein müsste, wenn er nach dieser „konzertfreien“ Zeit zum ersten Mal wieder auf der Bühne steht. Das müsse ja wohl alles je Dagewesene übertreffen. Monatelange künstlerische Abstinenz und sich selbst drängend wieder auf die Bühne wünschend sowie keine Möglichkeit für Zuschauer und Fans in der Gemeinschaft einem Konzert zu folgen, da entlädt sich der geballte Tatendrang. 

Woher kommt eigentlich Tatendrang?

Entsteht der Drang aus der momentanen Unmöglichkeit oder ist es das grandiose Zukunftsbild im Kopf, dass uns in die Startlöcher führt? Sicher ist: Tatendrang entsteht im Bauch. Der Bauch ist die Metapher für Emotionen, Leidenschaften und Gefühle. Das Prinzip des Bauches ist doppelköpfig, wie Sigmund Freud betonte, nämlich die Lustmaximierung und die Unlustvermeidung. Setzt man dem lustvollen Drang, der im Bauch entsteht, nichts entgegen, treibt es einen ungesteuert mal hierhin und mal dorthin. Im Falle von Wanda hätte das vielleicht bedeutet, dass man ein Schlupfloch genutzt hätte doch ein Konzert zu spielen - ohne Rücksicht auf Corona und unsere neuen Rahmenbedingungen. Irgendwo, irgendwie - einfach der Lust folgend. Doch es geht nicht nur um Lustmaximierung und Unlustvermeidung. Langfristig gesehen wird das Leben so eher wenig zufriedenstellend sein.

Der bewusste Umgang ist entscheidend

Tatendrang ist etwas Positives, aber es sollte aufmerksam mit ihm umgegangen werden. Man sollte also den Drang nach der Tat kanalisieren, auf etwas ausrichten, achtsam betrachten und dann entscheiden, wie und wo ich meinem Drang nachgebe. Hierfür sorgen Kopf und Herz. Der Kopf fragt: Ist das, wohin es mich drängt, vernünftig bzw. nützlich? Das Herz steuert uns mit Fragen zu den eigenen Werten: Ergibt das für mich persönlich einen Sinn? Ist es mir wichtig? Wenn Bauch, Kopf und Herz gut zusammen funktionieren, führt der Tatendrang für den Einzelnen in den meisten Fällen zu einem wertvollen Ergebnis. 

Tatendrang in der Gesellschaft

Literarischen Tatendrang konnte man im 18. Jahrhundert beobachten – in der Epoche des Sturm und Drang. Der Sturm und Drang fand in einer Zeit statt, in der es einen gesellschaftlichen Umschwung gab und sich vor allem die junge Generation mit tradierten Werten auseinandersetzte und diese hinterfragte. Die Leitbegriffe dieser Epoche waren Freiheit, Natur, Genie und Gefühl. In dieser Zeit kam es zu vielen historischen Veränderungen. Der Sturm und Drang war eine Jugendbewegung. Es geht um jugendlichen Protest gegen jede Form der Autorität, gegen Fürstenwillkür, Standesschranken, gegen tradierte Moralvorstellungen und Untertanenmentalität. Tatendrang, entstanden aus einer Sehnsucht nach Gefühl, Freiheit und Gerechtigkeit nach einer Zeit der Rationalisierung in der Epoche der Aufklärung und begleitet von einer eigenen emotionalen Sprache.

Doch was sagt uns das Ganze nun? 

Viktor Frankl formuliert in seinem Buch „Der Wille zum Sein“: Der Mensch ist hin- und hergerissen zwischen Tatendrang und Werten. In diesem Buch sieht er den Tatendrang für sich alleinstehend, ohne die Korrektive Werte und Vernunft, als gefährlich. Auch der Philosoph Marc Aurel meinte „Du musst begreifen, dass es etwas Kraftvolleres und Göttlicheres in Dir gibt als das, was die körperlichen Leidenschaften erregt und Dich wie eine Marionette bewegt. Welche Gedanken beherrschen Deinen Geist? Doch nicht etwa Angst, Misstrauen, Begierde oder etwas dieser Art.“ 

Lust, die im Bauch entsteht und sich ohne Korrektiv auf den Weg macht, kann gefährlich sein. Auf eine Zeit der Vernunft folgt oft eine Zeit des Gefühls. Wenn wir nach dem Verzicht wieder dürfen, lasst uns trotzdem weiter fragen: Was ist vernünftig und was ist uns wichtig?

Tatendrang mit Kopf und Herz ist wundervoll. Er kann Menschen bewegen und in Bewegung bringen.