Hoffnung ist ein Arschloch oder warum Hoffnung manchmal nicht gut für uns ist…
Hoffnung ist, wenn wir sie vernünftig gebrauchen, in Krisen eine Art Superkraft:
Sie sorgt dafür, dass Menschen, selbst wenn es sich manchmal schwer und traurig anfühlt, durchhalten und ihren Lebensweg weitergehen. Wer jedoch die Grenzen der Hoffnung nicht kennt, dem kann sie schaden.
Hoffnung ist der Wunsch, dass es sich in Momenten der Unsicherheit zum Guten wenden wird. Sie ist jedoch auch ein sehr ambivalentes Phänomen. Sie gibt uns Kraft und lässt uns durchhalten, kann aber auch großen Schaden anrichten.
Hoffnung macht uns verletzlich.
Wenn uns etwas sehr wichtig ist, hoffen wir sehr stark. Alles, was wir haben, geben wir dann für diese Sache, diesen Menschen, dieses Thema, das einen so großen Wert für uns hat. Wir verbinden uns emotional sehr stark und werden hierdurch verletzlich. Man kann also sagen, je wichtiger uns etwas ist, desto größer ist unsere Verletzlichkeit. Die Enttäuschung, wenn sich eine existenzielle Hoffnung nicht bewahrheitet, trifft uns dann auf empfindliche Weise.
Personen, die beispielsweise sehr an das Gute im Menschen glauben, weichen oft sehr lange nicht von diesem Glauben ab. Selbst, wenn sie im beruflichen oder privaten Kontext mit Leuten konfrontiert sind, die sie verletzen, sich ihnen gegenüber ausbeuterisch verhalten oder sie sogar abwerten. Sie glauben und hoffen so stark, dass das Gute immer siegt oder Menschen grundsätzlich gut miteinander sind, dass sie manipulatives und verletzendes Verhalten sehr lange entschuldigen oder ausblenden.
Es gibt sie aber nun mal, die Menschen, die sich aus vielfältiger Not oder im eigenen Sinne an anderen vergehen und sie für ihre Zwecke nutzen. Die narzisstische Not z.B. zeigt sich insbesondere auch in der leiderzeugenden und grandiosen Idee, dass man sich und die Welt „designen“ kann, wie man sie sich wünscht. Aber dafür müssen eben alle mitspielen. Ich habe im Laufe der Jahre viele Personen in Unternehmen kennengelernt, die auf höchst geschickte Weise imstande waren, andere auszubeuten und unbemerkt für eigene Belange zu instrumentalisieren.
Hier kann es sehr gefährlich für denjenigen werden, der ausschließlich das Gute sehen möchte. Er arbeitet sich ab, bringt sich selbst in Gefahr, gerät unter großen psychischen Druck und sorgt am Ende immer weniger für sich selbst.
Das ist nur ein Beispiel, wie Hoffnung die Menschen in Richtungen bringen kann, die nicht gut für sie sind. Wie sie einen aktiv werden und aktiv bleiben lässt, obwohl man schon die eigenen Grenzen überschritten hat.
Eine weitere Schattenseite der Hoffnung ist, dass sie einen manchmal passiv werden lässt. So mancher hofft, dass gewisse Dinge einfach so von allein wieder aufhören, sich erledigen, vorbeiziehen und verpassen dabei, entsprechend zu reagieren. Es ist menschlich zu denken, man könne den leichteren Weg gehen, nur manchmal entwickeln sich die Dinge dann in eine Richtung, die man selbst so nicht entschieden hätte.
Ein gutes Beispiel hierfür ist der Umgang mit Krankheit. Man spürt vielleicht schon längere Zeit ein Unwohlsein oder einen Schmerz an einer bestimmten Stelle. Oft gehen solche Dinge sicher von allein wieder vorbei, manchmal aber auch eben nicht. Manche Menschen hoffen jedoch, dass Schmerzen einfach so verschwinden und gehen auch nach längerer Zeit des Unwohlseins nicht zum Arzt. Sie hoffen! Sie hoffen so lang, bis es zu spät ist und sich schon schlimmere Dinge entwickelt haben, die vielleicht am Ende viel schwerer zu behandeln sind. Sie sind durch die eigene Hoffnung in einen passiven Zustand geraten, der zu ziemlichem Leid führen kann.
Hoffnung – also die Fähigkeit, der Zukunft zuversichtlich entgegenzublicken – hat uns in unserer evolutionären Vergangenheit dabei geholfen, unser Überleben zu sichern. Die Antriebsfunktion der Hoffnung spüren wir noch heute. Gleichzeitig hat der Verlust von Hoffnung oftmals Belastung oder gar Verzweiflung zur Folge und ist mit einem größeren Risiko für Depression verbunden. Es war und ist für Menschen also essenziell, ein gewisses Maß an Hoffnung zu behalten, aber eben nicht um jeden Preis.