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Wheel of Passion – Von Interesse zu Leidenschaft

 

Foto von Brad Barmore auf Unsplash

 
 

Man könnte Leidenschaft als die höchste Form von Interesse beschreiben. Wir verwenden viel Zeit und Energie für etwas, zeigen viel Enthusiasmus und vielleicht sogar Begeisterung. Doch was ist Leidenschaft? Leidenschaft ist keine Emotion, aber die Dinge, für die wir Leidenschaft entwickeln, sind in der Lage, sehr starke Emotionen in uns auszulösen. Das liegt auch daran, dass die Dinge, für die wir Leidenschaft empfinden, zu unserer Identität gehören. Wir definieren uns als jemand, der z.B. gerne Eishockey spielt oder als Fan einer bestimmten Mannschaft, oder als jemand, der sich für Architektur des 19. Jahrhunderts interessiert.

Das zeigt bereits, wie vielfältig die Dinge sein können, für die wir eine Leidenschaft entwickeln. Möglich sind Aktivitäten oder Personen, aber auch ganze Themengebiete. Wichtig ist hierbei, genau hinzuschauen, wofür wir die Leidenschaft eigentlich empfinden. Wenn eine Person beispielsweise leidenschaftlich gerne Ski fährt, dann kann das daher kommen, dass sie das Gefühl genießt, jeden Berg, egal wie anspruchsvoll, zu bezwingen. Oder dass sie die Nähe zur Natur und den Ausblick genießt. Oder dass sie die Kombination aus Kraftaufwand und technischem Geschick genießt. Oder dass sie Hüttenessen und Après-Ski-Musik mag. Je nachdem, was der Ursprung ihrer Leidenschaft ist, sind es andere Dinge, bei denen es sich lohnt, sich diese auch einmal anzuschauen.

Muss die eigene Leidenschaft einfach gefunden werden?

Für viele Menschen ist Leidenschaft auch mit Entdeckung verbunden: Wenn ich nur lange genug suche, treffe ich irgendwann auf eine Tätigkeit, ein Hobby oder einen Menschen, und sofort ist die Leidenschaft da. Ich muss nur lange genug suchen, um genau diesen Menschen oder diese Tätigkeit zu finden. Diese Sichtweise auf Leidenschaft bringt allerdings ein paar Probleme mit sich, da sie, auch wenn das zunächst nicht intuitiv erscheint, ein sehr statisches Menschenbild beinhaltet.

Denn es wird davon ausgegangen, dass ein Mensch eine begrenzte Anzahl an Eigenschaften hat, die sich über die Zeit auch nicht wirklich verändern, und es muss nur das eine Objekt gefunden werden, das optimal zu diesen Eigenschaften passt. Und wenn dieser Mensch seine Leidenschaft erst einmal gefunden hat, gibt es keinen Grund, weiter nach anderen Dingen Ausschau zu halten. Auch geht es davon aus, dass diese Leidenschaften immer konstant die gleiche Motivation und Inspiration mit sich bringen, und im Gegensatz dazu haben wir doch alle schon einmal erlebt, dass zum Beispiel ein Hobby, das uns sehr lange Spaß gemacht hat, auch mal anstrengend oder nervig sein kann, und später macht es wieder genauso viel Spaß wie zuvor. Und letztlich können Menschen dann, wenn es nicht irgendwo auf den ersten Blick stimmt, und sie daher immer weiter suchen, auch sehr viel Zeit und Energie auf diese Suche nach der einen Sache verwenden, obwohl sie eventuell bereits etwas gefunden hatten, das in ihnen diese Emotion und den Enthusiasmus auslösen würde, wären sie nur länger am Ball geblieben und hätten sich weiter ausprobiert.

Dem gegenüber steht die Ansicht, dass Leidenschaften entwickelbar sind, dass man sich Leidenschaft erarbeiten muss. Dieser auch von psychologischen Befunden eher gestützte Ansatz geht davon aus, dass Leidenschaft erst aus der Beschäftigung mit einer Sache entsteht. Diese Entwicklung wird dabei in vier Phasen eingeteilt. Zunächst besteht ein erstes Interesse, eine Tätigkeit klingt spannend und wir sind neugierig, uns damit auseinanderzusetzen. Und wenn es gelingt, über diese erste Begegnung hinaus das Interesse zu erhalten, können wir in die intensivere Beschäftigung mit der Sache eintauchen. Hier haben wir bereits erstes Wissen erworben und uns daher innerhalb der Tätigkeit neuen Herausforderungen gestellt. Und gerade wenn wir bemerken, dass wir unsere neuen Kompetenzen erweitern, Herausforderungen erfolgreich meistern und uns immer weiter entwickeln, kann die letzte Phase beginnen, das Versinken in und mit der Tätigkeit. Und erst hier entsteht die Leidenschaft. Und auch wenn es manchmal schwierig ist, weiterzukommen, neue Herausforderungen erst einmal zu groß erscheinen, wissen wir, dass es sich lohnt, dabeizubleiben, und dass das nicht "der Beweis" ist, dass das einfach nicht die eine perfekte Leidenschaft ist. Und zusätzlich wissen wir, auch wenn wir bereits etwas gefunden haben, das uns so wichtig ist, dass es diese Emotionen in uns auslöst und wir ganz darin versinken können, dass es sich lohnt, weiter offen der Umwelt zu begegnen, denn vielleicht finden wir ja noch etwas.

Was ist meine Leidenschaft?

Die Idee, dass Leidenschaft entwickelbar ist, beinhaltet auch, dass wir vielen Dingen, zu denen wir eine Leidenschaft entwickeln könnten, vermutlich bereits begegnet sind. Doch wie finden wir diese Dinge, bei denen damals vielleicht aus Zeitgründen nicht mehr als ein erstes Interesse entstehen konnte? Hierfür gibt es verschiedene Richtungen, aus denen wir uns dem Kern der Frage nähern können. Eine Möglichkeit hierfür bildet das Wheel of Passion. Dieses beinhaltet vier Ansätze, aus denen du dich der Frage nähern kannst, was scheinbar Themengebiete sind, die etwas in dir auslösen.

Zum einen geht es um die Dinge, die uns in Kunst oder Medien begegnen: Also welche Bücher oder Filme beeindrucken dich? Welche Kunst löst etwas in dir aus? Und was genau ist es, das etwas in dir auslöst, welche Themen oder Szenen wecken diese Gefühle?

Auch werden die Dinge betrachtet, für die wir immer ein "Aber" im Kopf haben, um uns nicht damit auseinandersetzen zu müssen. Doch hier sollst du einmal ganz bewusst all diese "Abers" in deinem Kopf streichen und ganz frei überlegen: Was würdest du tun, wenn es gar nicht die Möglichkeit gibt, zu scheitern? Und wenn Geld egal wäre? Bestimmt hast du auch andere "Abers" in deinem Kopf, die du hier ignorieren sollst.

Eine Zeit, in der wir noch nicht so viele dieser Barrieren in unserem Kopf hatten, ist unsere Kindheit. Also lohnt es sich auch hier, einmal einen Blick zu wagen, welche Interessen sich in dieser unbeschwerteren Zeit gezeigt haben. Was hast du als Kind gerne gespielt? Und was genau waren das für Fantasiewelten in deinem Kopf, die du mit deinem Spielzeug – oder vielleicht auch ganz ohne Spielzeug - hast Wirklichkeit werden lassen?

Und zuletzt wollen wir auf dein Leben als ganzes schauen. Stell dir vor, dein Leben ist ein Museum, das du und andere besichtigen können? Wie würdest du die einzelnen Räume und Ausstellungen benennen? Und was würdest du darin ausstellen wollen? Was genau möchtest du mit deinen Ausstellungsstücken darstellen, und warum gehören sie in dieses Museum und andere nicht? Welche Bilder möchtest du aufbewahren oder teilen? Und was genau ist darauf zu sehen?

Deine Aufgabe ist es, das Rad mit den Themen auszufüllen, die dir in den Sinn kommen. Solltest du in einem Bereich mehr als zwei Themen haben, zieh gerne eine zusätzliche Linie durch eine der Speichen des Rades, um diese zu teilen. Schraffiere anschließend aus, wie sehr du diese Themen oder Tätigkeiten gerade in deinem Umfeld spürst.

Vielleicht gibt es Dinge, die bereits einen festen Platz in deinem Leben gefunden haben, ohne dass du dir dessen so bewusst warst. Und vielleicht ist dir gerade aufgefallen, dass da etwas Spannendes schlummern könnte, bei dem es wert ist, ihm ein bisschen Zeit zu schenken und sich intensiver damit auseinanderzusetzen. Vielleicht entwickelt sich da ja etwas…

 
Franziska SteinMethode