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„Ich bin mir unsicher, entscheid‘ du!“ – Warum wir wichtige Entscheidungen nicht anderen überlassen sollten

 

Foto von Dima Pechurin auf Unsplash

 
 

Wir alle treffen ständig Entscheidungen. Manche beschäftigen uns eine kurze Dauer (Was möchte ich essen? Wohin fahre ich in den Urlaub?), andere hingegen meist länger, da sie eine zentrale Rolle bei der Gestaltung unseres Lebens einnehmen können:  Entscheidungen darüber, was wir nach der Schule machen wollen, welchen Job wir annehmen, wo wir wohnen möchten ...  Wir alle kommen im Leben immer wieder in Phasen, in denen wir auch „größere“ Entscheidungen treffen. In diesen Momenten sind wir gefragt, uns damit auseinanderzusetzen, was wir eigentlich wollen, welche Ziele wir verfolgen oder was uns erstrebenswert scheint.  

Wir suchen Antworten auf diese Fragen und diese Ver-ANTWORTUNG zu spüren, kann sich ziemlich schwer anfühlen. Denn was ist, wenn die Entscheidung vermeintlich „falsch“ war oder wir scheitern?  

Wir wünschen uns daher gerne, jemand anderes möge die Entscheidung für uns treffen.  Nach dem Motto „Sag du mir, wo und was ich studieren soll oder welche Ausbildung ich machen soll!“.  

Das mag sich in der Theorie zunächst gut anfühlen, weil wir uns nicht mehr mit unseren Zukunfts- oder Versagensängsten, die oftmals mit größeren Entscheidungen einher gehen, beschäftigen müssen und wir das Gefühl der Verunsicherung vermeiden können. Die gefühlte Last der Entscheidung ist abgegeben.  

Es ist wichtig sich auch bewusst zu machen, dass wir mehr als Last abgeben. Denn mit Verantwortung und der Möglichkeit Entscheidungen treffen zu können, kommt auch Freiheit: Freiheit zur Gestaltung des eigenen Lebens. Denn wie oben beschrieben, ist sind die größeren Entscheidungen auch immer die Möglichkeit zu überlegen, was ich eigentlich möchte und was mir wichtig ist – letztlich zu entscheiden, wie ich mein Leben leben will. 

Würden wir jemand anderes entscheiden lassen, hieße das, dass seine Wünsche, Vorstellungen oder Werte die Entscheidung mitbestimmen. Ich gebe also die Freiheit und Verantwortung, meine eigenen und Wünsche und Werte zu leben, ab. Ja, wir mögen uns kurzfristig von der gefühlten Last, eine Entscheidung zu treffen, befreien. Auf lange Sicht führt dies allerdings nicht zu Zufriedenheit:  

„Schau dir den Dieter an, der hat sogar ein Auto!“ Wenn wir anderen Entscheidungen überlassen, entscheiden auch die Werte der anderen Personen mit. Ist das Auto, um das Zitat aus „Junge“ von den Ärzten zu nutzen, für einen selbst überhaupt wichtig und erstrebenswert? „Geh doch zu Onkel Werner in die Werkstatt, der gibt dir ‘ne Festanstellung“ – auch dies, sicherlich gut gemeint, ist nicht zwangsläufig das, was für das eigene Leben passt. Jede Entscheidung, die getroffen werden will, ist auch immer eine Chance sich mit den eigenen Vorstellungen, Träumen und Werten auseinanderzusetzen und diese durch Entscheidungen zum Ausdruck zu bringen. 

Was kann dabei helfen diese Verantwortung – das eigene Leben durch Entscheidungen zu gestalten – anzunehmen?

Wir dürfen Entscheidungen treffen  

Wie oft sprechen wir davon, dass jetzt eine Entscheidung her muss. Das klingt direkt anstrengend und nach Druck. Wenn wir uns aber zunächst bewusst machen, dass es auch ein Privileg ist zu entscheiden – und zwar deswegen, weil wir eine Auswahl haben, aus der wir eine Entscheidung treffen können, ist der Blick gleich ein anderer.  

Haben wir uns einmal für eine Option entschieden, fühlen wir oftmals Vorfreude oder Erleichterung. Wir können uns – gedanklich und emotional – auf diese Option einstellen und uns mit ihr auseinandersetzen. Das ist auch für das Gehirn, was vorher mit dem Abwägen aller Entscheidungen beschäftigt war, einfacher. 

Satisficing Rule statt non-plus-ultra 

Sicher, Entscheidungen zu treffen kann sehr schwer werden, vor allem wenn die Auswahl unendlich scheint und wir den Anspruch haben, die – mit Sicherheit - richtige Entscheidung zu treffen. Betrachten wir Entscheidungen auf diese Art und Weise, machen wir uns das Leben selbst schwerer als notwendig.  

Warum? Weil es keine richtigen Entscheidungen gibt und wir auch nicht mit Sicherheit sagen können, dass diese oder jene Entscheidung besser oder schlechter war. Denn wir haben schlicht keinen Vergleich. Hier hilft es zu schauen, welche Ansprüche einem wirklich wichtig sind und die Option auszuwählen, die dem entspricht. 

„Du darfst scheitern!“ 

In einem Workshop zur Berufsorientierung berichtete ein Teilnehmer, dass ihn dieser Satz seiner Mutter sehr stark ermutigt hat, seinen Weg zu gehen und etwas Neues auszuprobieren, eben in der Gewissheit, dass auch Scheitern eine Option ist. In den wenigsten Fällen ist es so, dass einmal getroffene Entscheidungen oder Wege unabänderlich sind. Das mag sich zu Beginn so anfühlen: Wenn ich Medizin studieren, kann ich nur Chirurg werden und operieren. Dabei erleben wir alle, dass der Weg sich beim Gehen entwickelt. Dies kann ein Abbruch der Ausbildung sein (weil man z.B. merkt, dass Physik doch viel interessanter ist) oder auch das Entdecken einer Leidenschaft für eine ganz andere Tätigkeit als ursprünglich gedacht, sein. Z.B. wenn ich im Medizin-Studium merke, dass mir Forschung viel mehr Freude macht.  

Entscheidungen zu treffen, gehört zu unserem Leben dazu. Mit welcher Haltung wir ihnen begegnen, legen wir fest.  

„Es gibt einen Satz von Joseph Beuys, der gelegentlich etwas missverständlich gedeutet wird: „Jeder Mensch ist ein Künstler“ meinte eigentlich nicht, dass jeder von uns nun zu Leinwand, Pinsel, Farbe oder Ton greifen müsse. Der Satz meint viel eher: Jeder Mensch, ob der sich nun dessen bewusst ist oder nicht, ist gestaltend tätig“ (aus Zeiten der Entscheidung Viktor E. Frankl/ Elisabeth Lukas).  

Durch getroffene Entscheidungen gestalten wir unser Leben – und es wäre sehr schade und nicht empfehlenswert diese Verantwortung, diese Freiheit gänzlich anderen zu überlassen.